„Ich mag Musik aus der Perspektive der Ersten Person. Nun, ich habe alles mögliche über mich geschrieben und deswegen gefällt es mir auch. Das bin ich. Und niemand sonst. Darum mag ich das … es handelt von mir und ehrlich gesagt weiß ich auch nicht viel über andere Dinge.“
„Ich habe all den Groll über die Vergangenheit verloren und würde mich freuen wie Bolle, einmal „Help!“ zu singen. Während der letzten zwei Jahre habe ich mich komplett verändert. Ich würde „Hey Jude“ spielen und die ganze verdammte Show, und ich glaube, dass George das irgendwann auch einsehen wird.“
Diese aus dem Jahr 1970 stammende Äußerung John Lennons umschreibt sehr treffend das, was Lennons Musik so interessant macht: sie ist ehrlich, kommt schnell auf den Punkt und gibt schließlich Aufschluss über die Person John Lennon. Für ihn selbst war sie ein Vehikel, Verborgenes an die Oberfläche zu bringen oder um ganz einfach das zu thematisieren, was ihn gerade beschäftigte.
Ein Querdenker war John Lennon schon immer. Er nahm kein Blatt vor den Mund, seien es seine berühmt-berüchtigten Kommentare bei der Royal Variety Performance 1963 („Will the people in the cheaper seats clap your hands? And the rest of you, if you’ll just rattle your jewelry.“) oder zum aktuellen Stellenwert des Christentums („Christianity will go. It will vanish and shrink. I needn’t argue about that. I’m right and will be proved right. We’re more popular than Jesus now…“) um nur ein Paar Beispiele zu nennen. Dabei blieb der Beatles-Gründer seinen Bandkollegen gegenüber immer loyal und traf kreative Entscheidungen im Sinne der Gruppe. Die negativen Auswirkungen der Beatlemania führten jedoch dazu, dass Lennon sich ab 1966 sukzessive innerlich von dem Leben als Beatle abwendete. Die viel diskutierte Begegnung mit der Künstlerin Yoko Ono war für John Lennon schließlich der Faktor, der seine Aktivitäten für die Beatles auf ein Minimum reduzierte. Er hatte nun jemanden gefunden, der ihm geistiger und emotionaler Partner war, ihm bisher unbekannte Horizonte öffnete und schließlich die mütterliche Sicherheit gab, die er vorher nie hatte.
Das Jahr 1969 ist als die Phase des Friedensaktivisten Lennon in die Geschichte eingegangen. Die drei experimentellen Alben (Two Virgins, Life With The Lions, Wedding Album) des Gespanns John Lennon / Yoko Ono wurden von der Öffentlichkeit nur milde belächelt. Doch die „Bed-Ins“ für den Frieden und der dabei spontan aufgenommene Song „Give Peace A Chance“ hatten nachhaltige Wirkung und zementierten Lennons Ruf als Pazifist und Vordenker seiner Generation.
Nach dem Ende der Beatles veröffentlichte John Lennon ein Album, das sich ausschließlich der Aufarbeitung seiner persönlichen Traumata widmete. Dabei bekamen auch die Beatles und speziell Paul McCartney ihr Fett weg, dem Lennon nicht verzeihen konnte, eigenmächtig das Ende der Beatles erklärt zu haben. So wurden in der erster Zeit nach dem Beatles-Ende gegenseitig Giftpfeile abgeschossen, die einen Höhepunkt in John Lennons „How Do You Sleep?“ (1971) fanden. Doch Lennon selbst verkündete 1973, dass die Wunden verheilt seien (vgl. Zitat der Startseite).
Einen künstlerischen Tiefpunkt erreichte Lennon mit der Veröffentlichung von „Some Time In New York City“, größtenteils eine Ansammlung musikalisch halbgarer Polit-Statements. 1974, während der gemeinhin als „Lost Weekend“ bekannten, 18 Monate währenden Trennung von Yoko Ono nahm John Lennon mit „Walls And Bridges“ wieder ein äußerst anspruchsvolles Album auf. Etwa ein Jahr später wurde John Lennons zweiter Sohn Sean geboren, der einzige Sprößling aus der Ehe mit Yoko Ono. Zu diesem Zeitpunkt verordnete Lennon sich selbst eine Auszeit vom Musikbusiness. Nur sporadisch wagte er sich in die Öffentlichkeit und kehrte vollends erst wieder im November 1980 zurück, mit dem neuen Album „Double Fantasy“ im Gepäck.
Jener bittere Abend des 8. Dezember 1980 veränderte die Welt der Popmusik. Mit dem Mord an John Lennon wurde nicht nur auf brutale Weise das Leben eines Mannes beendet, der durch sein Wirken Millionen von Menschen Freude bereitete, sondern auch die weitere Entwicklung eines der bemerkenswertesten Musiker und Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Stille Hoffungen vieler Fans auf eine mögliche Wiedervereinigung von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr wurden endgültig ausgelöscht.
Heute sorgt Yoko Ono dafür, dass die Erinnerung an John Lennon wach gehalten wird: manchmal durch fragwürdige Vermarktung von Lennon-Devotionalien, aber auch immer wieder mal durch Veröffentlichung bisher unbekannter Aufnahmen, die uns stets vor Augen führen, wie sehr uns John Lennon heute fehlt.
Bewertungsstufen der Alben:
= Überragende Arbeit, Meisterwerk
= Gutes Album ohne nennenswerte Einschränkung
= Eher durchschnittlich mit einigen guten Momenten
= Wenig überzeugend, deutliche Schwachpunkte
= Enttäuschend, allenfalls für Sammler interessant