Acoustic
Veröffentlicht: 01. November 2004
LP: Nicht als Schallplatte erhältlich
CD: EMI/Capitol 7243 8 74429 2 4
Titel:
Working Class Hero / Love / Well Well Well / Look At Me / God / My Mummy’s Dead / Cold Turkey / The Luck Of The Irish / John Sinclair / Woman Is The Nigger Of The World / What You Got / Watching The Wheels / Dear Yoko / Real Love / Imagine / It’s Real
Sechs Jahre zogen ins Land ohne eine neue Veröffentlichung aus dem Hause Lennon. Für Yoko Ono also höchste Zeit, wieder tätig zu werden. Ein Album herauszubringen, das ausschließlich aus Songs besteht, bei denen sich John Lennon selbst an der akustischen Gitarre begleitet, ist an sich eine gute Idee. Doch leider stellt sich hier mehr denn je die Frage, wer eine CD wie diese braucht. Das „Unplugged“-Konzept ist erfolgreich und beliebt, allerdings werden Nicht-Fans von „Acoustic“ maßlos enttäuscht sein, denn sie erwartet alles andere als eine perfekte und mitreißende „Unplugged“-Performance. Die Songs sind in vielen Fällen im Anfangsstadium – eben Demos – und auch die schwankende Tonqualität entspricht nicht den Erwartungen. „Otto Normalhörer“ kann nur daher nur vom Kauf des Albums abgeraten werden. Lennon-Fan wissen das alles und können sich darauf einstellen, nur – der Löwenanteil dieser CD ist bereits von der „John Lennon Anthology“ bekannt. Nichtsdestotrotz sind auch auf „Acoustic“ einige Stücke, die bisher unveröffentlicht waren. Der Absatz dieses Albums im Lennon-Fan-Lager war damit gesichert und auch in Zukunft werden mit dieser Taktik neue Alben ihre Abnehmer finden.
Zum Inhalt der CD: „Working Class Hero“ ist praktisch identisch mit der auf der „John Lennon Anthology“ enthaltenen Version – nur leicht gekürzt. „Love“ ist ein so genannter „Studio Runthrough“ (eine Art Probedurchlauf), jedoch einer von hoher Intensität. Mit „Well Well Well“ folgt die erste bislang unveröffentlichte Version des Albums. Ein wohl nicht all zu ernsthaft angegangenes, arg kurzes Home Demo: Lennons Stimme ist wenig präsent und passt sich der minderwertigen Aufmahmequalität an. „Look At Me“ ist die Studio-Version der „Anthology“-Box. Anschließend hören wir drei unveröffentlichte Versionen am Stück: „God“, „My Mummy’s Dead“ (etwas länger als die offizielle Version) und „Cold Turkey“. Dieser Song, den Lennon über seinen „kalten Entzug“ schrieb, präsentiert sich hier nicht minder markerschütternd als die regulär veröffentlichte Single. Auf Bootlegs ist dieses Home-Demo in drei Mixen erschienen: Eine Fassung mit Johns Leadstimme, eine weitere, auf der er seine Stimme per Overdub doppelt, und schließlich eine dritte, auf der sich auch die Stimme Yoko Onos dazu gesellt. „The Luck Of The Irish“ und „John Sinclair“ sind die ebenfalls auf der Box enthaltenen Versionen des Ann Arbor-Benefizkonzertes. Eine nervige, bodenlose Frechheit ist „Woman Is The Nigger Of The World“. Nicht etwa wegen mangelnder Musikalität. Im Gegenteil: Der Song ist eines der wenigen Highlights von „Some Time In New York City“ und existiert – wie Bootlegs belegen – in einer klanglich als auch von der Interpretation her sehr schönen Demofassung. Aber sowohl auf der „John Lennon Anthology“ als auch hier würgt man den hier fast zart zu nennenden Song nach noch nicht einmal einer Minute ab.
Weiter geht es mit dem „Walls And Bridges“-Titel „What You Got“, eine bislang unveröffentlichte Demo-Version mit stark verändertem, recht witzigem Text. Die Fassung von „Watching The Wheels“ ist ebenfalls von der Box bekannt. „Dear Yoko“ ist eine weitere unveröffentlichte Version, ebenso wie auch die auf „Acoustic“ enthaltene Fassung von „Real Love“ so noch nicht erschien. „Imagine“ ist die auch auf der „John Lennon Anthology“ enthaltene Live-Version aus dem New Yorker „Apollo“ (1971). Mit der von der Box bekannten Version von „It’s Real“ – dem vagen Entwurf eines Songs – geht dieses Album zu Ende.
Aus den oben genannten Gründen hinterlässt „Acoustic“ einen faden Beigeschmack. Dieses Album ist allenfalls eine „nette“ Ergänzung der eigenen Lennon-Sammlung. Man hätte hier vieles besser machen können. Das fängt schon beim Booklet an. Yoko Ono widmet „Acoustic“ zukünftigen Gitarristen. Eine schöne Idee. Aber ob die über „Acoustic“ den Zugang finden, kann angezweifelt werden. Zu allem Überfluss sind die den Songtexten zugefügten Angaben von Gitarrenakkorden so klein gedruckt, dass sie kaum ohne Lupe entziffert werden können. Außerdem fehlen jegliche Hintergrundinformationen zu den Songs. Oberflächlichen Hörern mag das egal sein – Sammlern ist es wichtig. Aber da sind wir wieder beim Ausgangsproblem, an wen sich „Acoustic“ wirklich wenden soll. Neither fish nor flesh.
Anspieltipps:
Love / Imagine / Watching The Wheels
Bewertung:
+
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