Paul McCartney Hautnah
Meine Jahre mit der Legende
Christian Simon
Erstveröffentlichung: 12. März 2020
LangenMüller Stuttgart
320 Seiten plus CD-Beilage
ISBN: 978-3-7844-347456-2
Preis: 26,00 €
Wann immer sich eine deutschsprachige Buchveröffentlichung zum Thema Beatles ankündigt, neigt man als langjähriger und entsprechend belesener Fan dazu, ganz genau abzuwägen, ob das jeweilige Buch wirklich sein muss. Denn mittlerweile können ganze Häuser mit Regalen voller Beatles-Publikationen ausgestattet werden. Bei Buchveröffentlichungen über die Ex-Beatles liegt die Hemmschwelle niedriger. Und wenn der Autor jemand ist, der einem noch als Moderator der in den späten Siebzigern beliebten ZDF-Fernsehshow „Rockpop“ bekannt ist, und der darüber hinaus gut 20 Jahre lang sogar freundschaftlichen Kontakt zu Paul McCartney pflegte, dann schaut man schon genauer hin. Kurzum, der Kauf musste sein.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Buch konnte die möglicherweise zu hohen Erwartungen leider nicht erfüllen. Aber waren die Erwartungen an jemanden, der fast zwei Jahrzehnte lang im intensiven Kontakt mit dem Ex-Beatle stand, wirklich zu hoch? Man könnte nämlich durchaus annehmen, dass in einer solch langen Zeit nicht nur die hinlänglich bekannten Themen besprochen werden. Das Vertrauen war offenbar da, so dass nach einer gewissen Zeit die Gespräche auch mal in die Tiefe hätten gehen können. Aber genau das passiert in „Paul McCartney Hautnah“ einfach nicht. Wer sich nicht gerade erst frisch mit McCartney und den Beatles auseinandersetzt, erfährt so gut wie nichts Neues. Inhaltlich bewegt sich Simons Buch um Fragen und Antworten, die Paul McCartney so oder so ähnlich bereits in unzähligen Interviews beantwortet hat.
Der Anfang dieses Buchs ist vielleicht sogar der interessanteste Teil, denn hier schildert Christian Simon seinen Weg als junger RTL-Radiomoderator unter Frank Elstner bis zum sprichwörtlichen Fuß in der Tür von McCartneys Büro MPL am Londoner Soho Square. Mit List und Tücke kommt Simon 1991 über McCartneys langjährigen Publizisten Geoff Baker zu seiner ersten Begegnung mit der im Buchtitel angesprochenen Legende. Widrige Umstände lassen das versproche Interview beinahe platzen. Es klingt wie ein Märchen, denn McCartney möchte den Termin dennoch wahrnehmen und lädt Christian Simon und dessen Frau zu sich nach Sussex ein. Hier erwischt Christian Simon einen guten Start und gewinnt schnell das Vertrauen des gut gelaunten und mitteilungsfreudigen Paul McCartney. Dieser berichtet über bevorstehende Projekte wie den „Get Back“-Tourfilm, das „Liverpool Oratorio“, über die Hamburger Zeit der Beatles, über die wiedergefundene Freude an Live-Konzerten und andere Dinge mehr. Freilich, bei einer solchen ersten Begegnung verbieten sich tiefergehende oder sogar kritische Fragen von selbst.
Aber viele weitere Begegnungen sollten folgen. Mit Paul und Linda McCartney, mit Geoff Baker und vor allen Dingen auch mit Mark Featherstone-Witty, der treibenden Kraft hinter der Gründung des Liverpool Institute for Performing Arts – kurz LIPA. Auch Featherstone-Witty fasst schnell Vertrauen zu Christian Simon, der sich umgehend in Deutschland für LIPA stark macht und Förderer mobilisiert. Die Beschreibung von Simons langjährigem Engagement für LIPA ist der zweite interessante Teil dieses Buchs.
Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr wird die Chance verpasst, Paul McCartney einmal Dinge zu entlocken, die man eben nicht schon in einer Vielzahl von Büchern gelesen oder und vielen Interviews gehört hat. Es bleibt bei einer Aneinanderreihung von allgemein bekannten Geschichten. Lediglich gegen Ende, als es um Lindas Tod und um Paul McCartney unselige Ehe mit Heather Mills geht, kommt es zu kleinen Einblicken hinter Paul McCartneys fröhliche Fassade. Dabei hätten sich viele der in diesem Buch geschilderten Ereignisse aus McCartneys beispiellosen Leben angeboten, mehr in die Tiefe zu gehen. Leider bleibt es zu oberflächlich.
Eine schöne Sache ist die beiliegende CD mit einer Laufzeit von etwa 25 Minuten. Hier hört man ausgewählte Antworten McCartneys aus den Gesprächen mit Christian Simon. Ein letzter Kritikpunkt trifft die sprachliche Gestaltung von Christian Simons Erinnerungen und die Übersetzung der O-Töne von Paul McCartney, Geoff Baker oder auch Mark Featherstone-Witty. Sowohl Simons Text liest sich manchmal sprachlich altbacken und unkritisch wie in Jugendzeitschriften der 60er und 70er Jahre, während die Übersetzungen unnatürlich und aufgesetzt euphorisch wirken.
Dies alles soll Christian Simons Rolle als wichtiger Ansprechpartner McCartneys in Deutschland und seine Verdienste um LIPA natürlich nicht schmälern. Für alle, die sich noch nicht lange mit Paul McCartney beschäftigt haben, ist „Paul McCartney Hautnah“ sicherlich ein lohnenswertes Buch. Der Rest wird vermutlich seine Enttäuschung nach der Lektüre nicht leugnen können.