Live Peace In Toronto
Veröffentlicht: 12. Dezember 1969
LP: Apple 1C 062 – 90 877 (Deutschland)
CD: Apple CDP 7 90428 2
Titel:
Blue Suede Shoes / Money / Dizzy Miss Lizzy / Yer Blues / Cold Turkey / Give Peace A Chance / Don’t Worry Kyoko (Mummy’s Only Looking For Her Hand In The Snow) / John, John (Let’s Hope For Peace)
Nachdem John und Yoko erkannt hatten, dass die Amsterdamer Aktion für den Frieden (siehe „Wedding Album“) ungeheuer werbewirksam war, veranstalteten sie Ende Mai 1969 ein weiteres „Bed-In“, diesmal im Queen Elisabeth Hotel in Montreal / Kanada. Auch hier war das Hotelzimmer ständig von Journalisten, Fotografen, Kulturschaffenden und anderen Persönlicheiten belagert, allerdings waren nicht alle davon überzeugt, dass Lennon und Ono ernst zu nehmen waren. Hier tat sich insbesondere der US-amerikanische konservative Karikaturist Al Capp hervor, der John und Yoko ganz offen und mit Nachdruck Naivität vorwarf (diese interessante Konfrontation ist gut auf der DVD „John & Yoko’s Year Of Peace“ dokumentiert).
Doch die „Bed-Ins“ waren geniale PR-Schachzüge: Mit einer einfachen Grundidee und minimalem Aufwand erreichten sie maximale Aufmerksamkeit. Am letzten Tag ihres Bed-Ins nahmen John und Yoko mit allen Anwesenden (darunter LSD-Papst Timothy Leary) den Titel „Give Peace A Chance“ auf, ein Song, der auch heute noch neben „Imagine“ sofort mit der Solokarriere Lennons in Verbindung gebracht wird. Darüber hinaus knüpften John Lennon und Yoko Ono in Kanada wichtige Kontakte, die auch dazu führten, dass eine Einladung ausgesprochen wurde am Toronto Rock’n’Roll Revival Festival teilzunehmen. Der authentische Rock’n’Roll eines Chuck Berry, Jerry Lee Lewis oder Little Richard war spätestens seit dem Siegeszug der Beatles Vergangenheit, doch genau diese Musiker wurden für das Festival in Toronto verpflichtet. Vielleicht um so etwas wie Dankbarkeit zu zeigen, aber ganz sicher um auf der gleichen Bühne zu stehen wie seine Idole, sagte John Lennon sofort zu.
Unter abenteuerlichen Vorzeichen entstand dieses Live-Album, das im Varsity Stadium in Toronto / Kanada mitgeschnitten wurde. Abenteuerlich deshalb, weil Lennon eine Zusage machte, ohne überhaupt über eine Band zu verfügen. Der alte Freund aus Hamburger Beatles-Tagen Klaus Voormann stand als Bassist sofort zur Verfügung. Ergänzt wurde die „Plastic Ono Band“ um Eric Clapton (zu dieser Zeit schwer heroinabhängig) als Leadgitarrist und dem Yes-Schlagzeuger Alan White. Während sich Lennon, Voormann und Clapton schon kannten, war Alan White für alle ein Außenstehender. Zwei Fragen musste Lennon für sich klären: Was soll gespielt werden? Und: Wie soll das überhaupt gehen? Schließlich hatte diese Formation noch nie zusammen gespielt. So wurde während des Fluges im hinteren Teil der Maschine geprobt, und zwar hauptsächlich Standards, die jeder kannte. Alan White trommelte mit seinen Drumsticks auf einem Sitz, Lennon und Clapton spielten auf ihren Gitarren und Voormann auf seinem Bass – allesamt unverstärkt und vom ohrenbetäubenden Lärm der Triebwerke begleitet. Klaus Voormann berichtet in seinem hervorragenden Buch „Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klaivier, John“ davon, dass Rock’n’Roll-Nummern wie „Blue Suede Shoes“, „Money“, „Dizzy Miss Lizzy“ relativ unproblematisch waren, doch Lennon wie immer zu wenig Geduld hatte, einen für die Mitmusiker vollkommen unbekannten Song wie „Cold Turkey“ vollständig durchzuüben.
Dementsprechend holprig hört sich vieles von dem an, was die Plastic Ono Band in Toronto auf die Bühne brachte. Lennon selbst war vor dem ersten großen Auftritt nach dem letzten Beatles Konzert am 29. August 1966 so nervös, dass er sich übergeben musste. Bevor die Band loslegte, verlor Lennon fast entschuldigend ein paar Worte über den spontanen Charakter des Auftritts und fehlende Zeit für Proben. Der erste Teil des Konzerts war trotz allem Chaos mitreißend, doch als Yoko Ono ihren Part antrat (sie verbachte die ersten Minuten in einem weißen Sack versteckt), standen nicht nur dem Publikum die Haare zu Berge, sondern auch der Band selbst. „Don’t Worry Kyoko“ und „John, John“ wurden vorher nicht geprobt. Voormann, Clapton und White hatten im Flugzeug von John Lennon lediglich die Anweisung erhalten, bei den Yoko-Songs mehr oder weniger durchgängig einen Akkord zu spielen. Doch nun war das Entsetzen groß. Dennoch begriff Voormann bald die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens und sagt heute, „Yokos Message war aufrüttelnd und großartig, es hat sie nur kaum einer da unten verstanden, zumindest nicht in diesem Augenblick.“
Interessant für Sammler: Eine limitierte Auflage der Schallplatte erschien mit einem immerwährenden Wandkalender mit John und Yoko-Motiven.
Anspieltipps:
Blue Suede Shoes / Yer Blues
Bewertung:
Pressestimmen:
„A thrilling mess.“ – Q Magazine