Pink Floyd: Alle Songs
Die Geschichten hinter den Tracks
Philippe Margotin / Jean-Michel Guesdon
Erstveröffentlichung: 01. Oktober 2018
592 Seiten in deutscher Sprache
Delius Klasing Verlag „Edition Delius“, Bielefeld
ISBN: 978-3-667-11410-5
Preis: 59,90 € (D) / 61,60 € (A)
Die Beatles hatten sich längst zur führenden kreativen Kraft der Popmusik aufgeschwungen, als sie zwischen November 1966 und April 1967 mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ einen weiteren Meilenstein aufnahmen. Und dies taten sie wie fast immer im Studio 2 in den Abbey Road Studios (damals ausschließlich als EMI Studios bekannt). Zeitgleich fanden sich Syd Barrett, Roger Waters, Richard Wright und Nick Mason im benachbarten Studio 3 ein, um ihr Debütalbum „The Piper At The Gates Of Dawn“ aufzunehmen. Dass Pink Floyds damaliger Frontmann und Songschreiber Syd Barrett durchaus auch von den Beatles beeinflusst war, hört man in Teilen früher Songs wie z.B. „Mathilda Mother“. Über 50 Jahre später gelten Pink Floyd als ähnlich einflussreiche Kreativköpfe und Innovatoren (und sind im Übrigen die ewige Nummer zwei in der Gunst des Verfassers dieser Zeilen), die bereits mit ihrem Erstlingswerk die Grenzen der Popmusik neu ausloteten und bald die Speerspitze des Progressive Rock bildeten.
Farbige Markierungen im Buchschnitt teilen das Pink Floyd-Werk in Jahre ein.
Delius Klasing legen nun mit „Pink Floyd – Alle Songs“ das mittlerweile vierte Buch des französischen Autorenduos Margotin/Guesdon in deutscher Übersetzung vor. Wie bei den Büchern über die Beatles, Bob Dylan und die Rolling Stones ist auch „Pink Floyd – Alle Songs“ ein schwerer Schinken, der mit knapp 600 Seiten aber etwas weniger umfangreich ausfällt als die Vorgänger. Das Vorwort ordnet zunächst die Entwicklung und Bedeutung der Band ein und gibt Hinweise zum Gebrauch des Buches. Im Anschluss erklärt das Kapitel „Das Cambridge Syndrom“, wie in den Sechziger Jahren die Fäden der vier Mitglieder zusammenliefen und auch David Gilmour bereits zum Freundeskreis von Syd Barrett gehörte. Bevor es zur Analyse des ersten Albums kommt, werden die zuvor aufgenommenen ersten Singles vorgestellt und durch ein Porträt des Beatles-Tonigenieurs Norman Smith abgerundet, der die ersten vier Alben von Pink Floyd produzierte (den Soundtrack „More“ ausgeklammert).
Hinter dem Schutzumschlag verbirgt sich ein schönes Doppelbild der Band mit und ohne Syd Barrett.
Der formale Aufbau folgt den bewährten Vorgaben: Das Buch orientiert sich an der offiziellen britischen Diskografie, wobei auch Abweichungen von den amerikanischen Pressungen vermerkt werden. Das Nachschlagewerk beginnt mit der Single „Arnold Layne / Candy And A Currant Bun“ (März 1967) und endet mit dem „Division Bell“-Ableger „The Endless River“ (November 2014). Der ausführlichen Beschreibung werden Kapitel über die Enstehungsgeschichte des entsprechenden Albums vorangestellt. Wie bei den anderen Büchern widmet sich „Pink Floyd – Alle Songs“ ebenfalls in einem gesonderten Abschnitt der Covergestaltung. Doch auch hier taucht nicht ein einziges Cover der Diskografie von Pink Floyd auf. Dies ist gerade vor dem Hintergrund des gehobenen Stellenwertes des Artworks bei Pink Floyd und der Masse an abgedruckten Fotos (viele davon sehr selten) in diesem Buch überhaupt nicht nachvollziebar.
Seitenaufbau am Beispiel von „Shine On You Crazy Diamond (Parts 1-5)“.
Wie dem erfahrenen Margotin/Guesdon-Leser schon bekannt ist, erhält jeder einzelne Song zunächst ausführliche Angaben zum Aufnahmedatum, zu den Komponisten, der Laufzeit, den beteiligten Musikern, zum Aufnahmestudio und zum technischen Team. Die genauere Beschreibung ist zweigeteilt: Ein „Vorgeschichte“ genannter Abschnitt klärt über die Hintergründe des Songs auf, ein zweiter Teil gibt Aufschluss über die Aufnahme selbst. Analog zu den anderen Büchern der Autoren gibt es auch in diesem Werk einen Passus, der spezielle, teils kuriose Details zum jeweiligen Song präsentiert: „Für Pink Floyd Addicts“. Zusätzlich findet man hier und da einen „Genau hingehört“-Textblock. Hier wird auf besondere Aufnahmedetails hingewiesen. Auch ein Kleinod wie das Zitat des Wings-Leadgitarristen Henry McCullough („I don’t know, I was really drunk at the time“), das am Ende von „Money“ zu hören ist, wird nicht vergessen. Das Buch deckt wirklich alles offiziell erhälliche Material ab, sogar Deluxe-Ausgaben werden berücksichtigt. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn die Boxset-Reihe „The Early Years 1965-1972“ auch dazugezählt werden könnte. Da die englische Ausgabe aber bereits im Oktober 2017 veröffentlicht wurde, ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens der „Early Years“-Reihe (November 2016) der Redaktionsschluss bereits überschritten war.
Eine gewagte These, dass der Floyd-Song „On The Run“ möglicherweise den Titel des Megasellers „Band On The Run“ (bzw. auch den Song selbst) inspiriert haben könnte.
Das Arbeitspensum der beiden Autoren ist erstaunlich. In so kurzer Zeit gleich vier komplexe Gebiete anspruchsvoll und gut recherchiert aufzuarbeiten, ringt dem Leser großen Respekt ab. Falsche Recherche ist nach dem ersten Lesen hier nicht gravierend aufgefallen, denn gerade Übersetzungen bergen da eine gewisse Gefahr. Wenn Fehler passieren, dann sind sie schlechter Übersetzung oder mangelhaftem Lektorat geschuldet. Anders ist z.B. eine Textstelle wie diese über „Pink Floyd live at Pompeji“ nicht zu erklären: „(…) kommt im September 1972 ins Kino – mit großem Erfolg. Eine zweite Version erscheint zwei Jahre später auf DVD.“ Irgendwie schon komisch, aber vermeidbar. Eine weitere Ausnahme bildet der Klappentext, der höchstwahrscheinlich vom Verlag verfasst wurde. Es wirft nämlich kein gutes Licht auf dieses ansonsten sehr gute Buch, wenn da behauptet wird, dass Pink Floyd angeblich 1989 vor dem Berliner Reichstag und 1990 auf dem Potsdamer Platz aufgetreten seien. Selbst Fans ohne Nerdwissen können Auskunft darüber geben, dass Pink Floyd (ohne Roger Waters) 1988 vor dem Reichstag ein Konzert gaben und Roger Waters als Solist mit Gaststars „The Wall“ auf dem Potsdamer Platz aufführte. Ein solcher Lapsus kann einen potenziell interessierten Käufer bereits abstoßen.
Möglich, dass dieser Fehler bei einer zweiten Auflage behoben wird. Ungeachtet dieses Makels gilt auch für „Pink Floyd – Alle Songs“ eine uneingeschränkte Kaufempfehlung, wenn man Wert auf eine deutschsprachige Ausgabe legt und nicht zu kleinlich ist. Das Buch ist ein kompetenter Leitfaden, der große Lust macht, den kompletten Pink Floyd-Katalog noch einmal mit großer Aufmerksamkeit durchzuhören.