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  Das Beatles Songbook
Einer der Besucher der Erdbeerfelder war/ist Peter Zentner. Und dank der Aufmerksamkeit von basuboo/Joachim konnten wir verifizieren, daß es der Peter Zentner ist, der vor vielen vielen Jahren das bekannte Beatles-Songbook (s.o.) ins Deutsche übersetzte. Hier nun seine Erinnerungen an diese Arbeit:


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verdankt seine Entstehung dem britischen Magazin- und Poster-Grafiker Alan Aldridge. Es enthält 100 Beatles-Texte, illustriert von eigens dazu eingeladenen Malern und Grafikern, darunter Ert, Ronald Searle und Tomi Ungerer. Heute, drei Jahrzehnte nach dem Ende der ebenso genialen wie legendären Fab Four, gehört es zu den echten Klassikern der Popkultur. The Beatles Songbook ist der perfekte Reiseführer ins Sergeant-Pepper-Land: frech, verspielt, melancholisch, sozialkritisch, ein bißchen lüstern, ein bißchen peppig ...

Fazit: Wartet ab, euch erwischt's auch noch. (Abendzeitung, München)



Natürlich hab ich viel zu erzählen. Aber nur denen, die *wirklich* interessiert (und interessant) sind. Ich kenne John & Paul nur aus zwei haltlos durchsoffenen Nächten in London -- John allerdings später viel besser, heftig in den U.S. wiedergesehen, als er seine monatelange, weit haltlosere Sauftour mit Harry Nilsson ("Ev'rybody's Talking At Me") durchzog und ich ein atemloser Schreiber-Trainee bei United Press und NBC war ...

McCartney's eigenes Songbuch ...To cut a long story short: Es vergeht kein Jahr, in dem nicht irgendeine Doktor- oder Magisterarbeit über meine Teenie-Übersetzung auf Kiel gelegt wird und ich tausend Fragen beantworten muss. Und die Lehrer meiner Kinder mich anrufen, weil jedes zweite Deutsch- oder Englisch- (manchmal sogar Musik-) Lehrbuch Ausschnitte dieser seltsamen Überetzungen enthält ...

Seltsam, weil die Vorgaben der Beatles dreifaltig waren (das Wort "threefold" kriegt dadurch einen geistlichen Beiklang, aber das sind wir ja durch Lennon & McCartney gewohnt): singbar nach der Original-Melodie, kongruent gereimt, so wörtlich wie möglich -- drei Pferde, die auch Shakespeare nicht zugleich hätte reiten können. (Meine fröhliche Zeile "Reim dich jetzt, oder ich fress' dich" steht nicht grundlos da.)

Doch die drei *mussten* gleichzeitig geritten werden, was zu sprachlichen Purzelbäumen führte, die man nur nach dem Motto "Augen zu und durch" vollführen konnte.

Jedenfalls wurden fünf der bedeutendsten deutschen Übersetzer eingeladen (darunter der hehre Paul Baudisch, der u.a. Hemingways "For Whom The Bell Tolls" gedeutscht hatte, und Annemarie Haschitz-Horst [John Steinbeck, Ezra Pound]) ... und ich, der angehende Musikstudent in Salzburg. Wir mussten jeweils fünf Beatles-Songs zur Probe übersetzen. John & Paul werteten (mit ihrem Hamburger Deutsch und dem Münchener Lektor) diese Arbeiten aus. Wenige Tage später saß ich, see above, in London, wo wir viel Spaß hatten. Die drei Knaben hatten die Arbeit der sogenannten Profis nasenrümpfend geknickt und den junglockigen Nobody in ihr Herz geschlossen, weil der ein Musikant und halber Brite war, wenn auch mit österreichischem Pass -- und ihrer Musik, including the lyrics, zugetan, aber völlig respektlos begegnete.

Es war überhaupt nicht schwer, sondern das pure Vergnügen. Ich erinnere mich gerne an diese zwei Wochen. (In denen ich auch reichlich *anderes* zu tun hatte: Abi -- sprich: Matura -- zu Ende bauen, Posaune & Kontrabass üben fürs Musikstudium, mich im "Bazar" mit Sieglinde treffen, meiner ersten großen Liebe, während sogar die Queen nach Salzburg kam, um sich von Karajan die Hand küssen zu lassen.) Was sich so "eigenartig" anhört, resultiert aus jenen drei Vorgaben, die simultan zu erfüllen waren, und aus dem verspielten Herangehen eines Teenies, der so gut wie alle Beatles-Songs aus dem Hut spielen und singen konnte, denn er war ein recht brauchbarer Gitarrist und in Essex mit dieser Musik aufgewachsen; aber auch mit Bach, Mozart und Beethoven.

In die "Sprache der Beatles" wird bis heute viel hineingeheimnisst und romantisch bis drogen-psychedelisch interpretiert, teilweise sogar politisch ... Gerade Letzteres geht völlig in die Hose: Alle vier Beatles waren unpolitische Menschen, und bis auf John (der es erst Yoko Ono zuliebe werden wollte, was damals aber erst begonnen hatte) sind sie es auch geblieben.

Ich hab' genau so übersetzt, wie die Dinger geschrieben wurden: aus der Hüfte, mit ihren teilweise altenglischen Wurzeln, während Sonne und Mond sich versöhnten wie die Ratte mit dem sinkenden Schiff; mit einem uralten Montblanc-Füller, Montblancs Eisengallus-Tinte und ungezählten Litern Twinings Earl Grey. Mehr gibt's dazu eigentlich nicht zu sagen -- außer dass Sieglinde ("There are places I remember") spätnachts von ihrem Chor-Job bei den Salzburger Oster- und Sommer-Festspielen auf dem Mondschein in meine Dachstube segelte, mir den Füller sanft aus der Hand nahm und bis zum Morgengrauen überirdisch schön war.

Sprache: Sie wissen zweifellos, wie oft gerade John sich darüber amüsiert hat, was die Culturati alles zwischen seinen und Pauls Zeilen zu lesen können glaubten. Chart-orientierte Song-Texte sind generell nicht nach lyrischen oder literarischen Kriterien zu bewerten, denn sie müssen in erster Linie *klingen*, eine glückliche Ehe mit der Musik führen. Das ist das Handwerk der Pop-Musik, und John & Paul waren ein perfektes Handwerker-Tandem, das den Erfolg liebte und unablässig dorthin radelte; die später auf eigene Faust geschriebenen Songs, relativ glanzlos, wären ohne den Nachhall der gemeinsamen Hits wohl untergegangen.

Die Sprache der Beatles ist am besten beschrieben durch Charles Caleb Colton (1780 - 1832), den John liebte und mit Begeisterung zitierte: "Subtract from many modern poets all that may be found in Shakespeare, and trash will remain." -- Ich will hier kein Sakrileg begehen, dazu sind diese Zeiten und Begegnungen zu sehr eine Sprungfeder meines Lebens, aber auch im Empfinden der Urheber wurden die Texte der Beatles oft skurril überschätzt:

Britische Literaturkritiker begeilten sich an der "innovativen" Lyrik von "Golden Slumbers" ("Abbey Road"), ohne zu ahnen, dass John, der Freak alter englischer Poeten, hier Thomas Dekker (1570? - 1641?) nahezu wörtlich eingemeindet hatte: "Golden slumbers kiss your eyes, Smiles awake you when you rise. Sleep, pretty wantons, do not cry, And I will sing a lullaby. Rock them, rock them, lullaby."

Das ist ja auch durchaus legitim. Aber John, das Schlitzohr, hat es niemandem verraten und über die Unwissenheit der Feuilletonisten herzlich gelacht; ich fand es erst Jahre später bestätigt, als ich das Musikstudium an denselben gehängt hatte und in Cambridge Philosophie studierte, und zwar bis zum süßen Ende. Zitate dieser Art gibt es bei den Beatles viele: Shakespeare, John Donne, Ben Jonson, Christopher Marlowe, S. T. Coleridge (just to name a few). Das tut dem lyrical achievement der Beatles keinen Abbruch: Aber wir müssen es im Kontext der Musik, der Zeit und des Chart-Kurses sehen, der sowohl gefühlvoll als auch zielstrebig eingehalten wurde ...

.. selbst in "Strawberry Fields Forever", dem Leitmotiv Eurer Homepage. Das Ding war zwar nicht *immer* als B-Seite gedacht, wie wir wissen -- aber diese kryptischen Anmutungen sind nicht minder dem Augenblick und dem Termindruck zuzuschreiben als "I Am the Walrus", der Nummer, die später für allen möglichen Esoterik-Schwachsinn herhalten musste, ohne mehr zu sein als eine surreale Finger- und LP-Füller-Übung, die erst durch George Martin zementiert wurde: "Hit the mike, son, and don't give a shit for those words. We gotta complete the album."

Ich weiß nicht *genau*, wie die Beatles waren. Will ich auch gar nicht. Meine Erinnerung ist verlässlicher und relevanter. Aber ich hab' eine körperliche und geistige Empfindung aus der Zeit, als sie auseinanderzubrechen begannen -- und ein gutes Team erreicht immer den Gipfel, bevor es abstürzt. Heute liebe ich ihre autodidaktische Melodik und Harmonik fast mehr als ihre Texte, die natürlich nur von Idioten aus dem zeitlichen und musikalischen Zusammenhang gerissen werden können, in welchem sie perfekt auf den Punkt waren, was noch für viele Jahrzehnte gelten wird. Und in diesem Kontext *stimmen* auch meine deutschen Fassungen (wo mag Sieglinde heute wohl sein, die Schwester des Sommers? Ich tät' gern den Literaturpreis der "Welt" und der "Zeit" mit ihr teilen; sie allein beherrschte des Kork-Kolben des alten Montblancs). "Ohne Bach hätte es die Beatles nie gegeben", schrieb ich mal in einem TV-Drehbuch. "Umgekehrt -- wer weiß das schon?"



Mit diesem nachdenkenswerten [if so, brethren] Satz sag' ich Dir & Euch vielen Dank für Euer Interesse und Eure Site. Gebt Laut, wenn Ihr noch was wissen wollt. Aber ich fürchte, dass es langweilig wird, wenn Details ausgepackt werden. Viel *mehr* werde ich auch nicht erzählen, es sei denn, es ginge um rein sprachliche, handwerkliche oder landschaftliche Mechanismen. Es gibt einen Respekt vor Toten und anvertrauten Geheimnissen, der nicht nur für die Beatles bewahrt werden muss.

Herzliche Grüße, and keep rockin'!
Dein & Euer Peter Z.






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