40 Jahre "Yellow Submarine"
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Erdbeer-Veteran und forumseigener Pate Marino berichtet anschaulich und unterhaltsam über Terrorgefahr und drohende Kerkerhaft an der polnischen Grenze, Horst Fascher als die Reinkarnation von Pauls Opa aus "A Hard Day's Night", eine erbitterte Schlacht um eine Keramik-Ente inklusive einer ganz neuen Bedeutung von "Great Balls Of Fire" ... kurzum: über das Beatles-Festival 2006 in Schwedt an der Oder. Viel Spaß! More: Zwei Freikarten für ein Wochenende an die polnische Grenze. Klingt auf den ersten Blick nicht nach Spannung und Abenteuer. Na gut, vielleicht nicht im positiven Sinn. Doch als Beatles-Fan nimmt man auch 400 km Entfernung in Kauf, um zum 40sten Geburtstag des "Yellow Submarine" zu gratulieren. Also ging es mit meiner Herzallerliebsten am Freitag auf nach Schwedt ins Uckermärkische, direkt an die Oder. Nach vierstündiger Fahrt und zwei Staus kamen wir ziemlich müde im "Oder Hotel" an. Nettes Haus, schöne Zimmer, der Stress lag nun hinter uns. Ich hatte meiner Freundin in einem Anfall rücksichtsvoller Großherzigkeit versprochen, einen Tag für sie vorzuhalten, und mich auf zwei Tage Beatles-Fantum zu beschränken. Sie nahm - wahrscheinlich unsicher ob meiner Verlässlichkeit - gleich den ersten Abend in Anspruch - für einen Bummel durch Schwedt. Glücklicherweise war zeitgleich zur großen Beatles-Veranstaltung an den "Uckermärkischen Bühnen" auch Oktoberfest in der Kleinstadt. So zogen wir nach einer Stärkung im "Shalimar", dem "Inder umme Ecke", zuerst durch die "Penny Lane" - die extra für das Wochenende umgetaufte Fußgängerzone in der Innenstadt. Verkaufsstände links und rechts, allerdings nichts mit Beatlesbezug. Offensichtlich ein Wochenendmarkt. Anschließend zogen wir über den Festplatz mit Autoscooter, Fahrgeschäften und den üblichen Belustigungs- und Nahrungsmittelgeschäften. Im Festzelt horchten wir erstmalig auf. Eine Band aus jungen Menschen, die deutsches Liedgut aus den Charts der vergangenen Jahre zum Besten gab. Das war schon ganz anständig, obwohl sich mir der Name der Band nicht aufdrängte, und ich letztlich auch zu müde war, ihn mir zu besorgen. So war der Abend für uns um 23 Uhr dann auch schon beendet. Da am Samstag die Veranstaltungen an den "Uckermärkischen Bühnen Schwedt" erst um 16 Uhr begannen, wollten wir die Zeit nutzen und einen Abstecher ins drei Kilometer entfernte Polen machen (Zigaretten für 1,35 EUR!). Wer mich kennt, weiß, dass ich immer gut vorbereitet in geplante Unternehmungen gehe. Für den Grenzübergang nach Polen braucht man immer noch einen Ausweis oder einen Reisepass. Den hatte ich. Zu Hause. "Sie müssen sich einen Notreiseausweis für acht Euro erstellen lassen" war der kurze Kommentar der Grenzwächter. Fein. Ich liebe es, an einer Grenze aus einer Schlange meinen Wagen verlassen zu müssen. Man kommt sich dabei immer ein wenig so vor als sei man ein überführter Schmuggler, gesuchter Steuersünder oder zumindest potenzieller Terrorist. Im provisorischen Bundespolizeibüro lief dann in meinem Kopf der Film "A hard days night" ab: Ich war Ringo, zwei Beamten nahmen meine Personalien auf, fehlte nur noch Paul's Opa. Ach, da war er ja! Direkt neben mir. Hatte einen gepflegten weißen Bart, war etwa Mitte, Ende 60, und sah ein bisschen aus wie Horst Fascher. Bei näherem Hinsehen sah er noch mehr aus wie Horst Fascher. Mein Gott, es WAR Horst Fascher! Ich begrüßte ihn und wir tauschten einige Knastanekdoten aus (Er hatte seinen Ausweis ebenfalls zu Hause gelassen - das vereint! , ich wies ihn darauf hin, dass wir flüchten könnten, bevor sie uns folterten, doch er wurde schon abgeführt. Ich bestätigte den Beamten, dass es sich wirklich um Horst Fascher handelte, bezahlte meine eigenen acht Euro und fuhr zu einem zweistündigen Besuch ins polnische Chojna (Königsberg). Ich sah den armen Horst ob seiner erlebnisreichen Vergangenheit (und demnach auch entsprechenden Akte) schon in Ketten gelegt im polnischen Krasnjik den Rest seiner Tage verbringen, doch ich traf in sowohl in der späteren Talkrunde als auch heute Morgen noch in einem kurzen Ganggespräch wieder, bei dem er mir verriet, dass er sich durch sein Buch "Let the good times roll" und das darin abgedruckte Foto von ihm für die Grenzkontrolleure ausreichend auswies. Ich bin trotzdem sicher, dass es nur mein Fürsprechen war, dass ihn vor einer Zukunft im polnischen Kerker bewahrte. :wink: :mrgreen: Oben: Offizielles Plakat des Wochenendes; unten: Marino macht sich zum Affen vor dem Eingang Der vierzigste Geburtstag der "Yellow submarine" in Schwedt begann für meine Freundin und mich mit einer Talkrunde, die Julian Dawson (ganz rechts) moderierte. Mit dabei waren (von links) Jan Josef Liefers (Schauspieler und Beatles-Fan), Rüdiger "Richie" Barton (Musiker bei "Silly"), Carla Kniestedt (Fernsehmoderatorin), Wolfgang Lippert (Fernsehmoderator und Beatles-Fan). Es ging um Erfahrungen in der damaligen DDR (in der alle Gäste aufgewachsen waren) mit den Beatles und der Beat- bzw. Popmusik. Wolfgang Lippert erzählte auch von seiner "Wetten, dass..."-Begegnung mit Paul McCartney. Danach hatte ich wieder die Möglichkeit mich vor den anderen Gästen zu blamieren: Sowas nutze ich ja immer aus. Anschließend traf ich auf eine fast verloren geglaubte Erdbeere. Sunny lief mir über den Weg. Allerdings habe ich sie nur drei oder vier Mal an dem Abend getroffen. Nach der "Top Secret" Show habe ich sie gar nicht mehr gesehen (Wo biste denn abgeblieben). Wir haben uns noch die Ausstellung im oberen Raum angesehen, die für Hardcore-Fans natürlich keine überraschenden Neuigkeiten bot. Aber trotzdem schön, dass die Astrid-Kirchherr-Fotos zu sehen waren. Astrid war übrigens nur am Freitag zu Gast in Schwedt, ich habe sie also verpasst. Nein, Schatz, das war jetzt kein Vorwurf. War ja auch ganz nett auf dem Rummel mit den vielen Betrunkenen und der tollen Charts-Musik aus den überforderten Lautsprecherboxen... :-* Dann gab es im "Kleinen Saal" die polnische "Sixty Band" und im Foyer "The German Zodiacs". Zwischendurch machte sich auch mal meine Süße zum Gespött. Allerdings muss ich ihr den Respekt gegenüber George noch beibringen (Nein, sie ist keine 1,80 m groß, George kniete. Die nächste Talkrunde von Julian Dawson war mit (v.l.) Klaus Voormann, Horst Fascher (den Schergen entkommen! und Ian Edwards (von Ian & the Zodiacs), mit ein paar schönen Geschichten rund um die Zeit in Liverpool und Hamburg. Ian meinte, bevor die Beatles nach Hamburg fuhren, waren sie noch keine gute und anerkannte Band in Liverpool, als sie nach dem ersten Engagement an der Elbe zurückkamen, standen die anderen Bands mit offenen Mündern vor den noch-nicht-Fab-Four. So drängte es andere Bands auch nach Hamburg. Horst sagte, die Beatles waren musikalische gar nicht mal die beste Band in Hamburg (Klaus widersprach! ), aber sie waren die aufregendste! Dann ging es für uns ab in das Musical "Top Secret". Ehrlich gesagt entsprach die Handlung nicht ganz unseren Vorstellungen. Gute Schauspieler und Musiker, aber die Handlung war dann doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen, dass wir, als wir vor der Wahl standen, nach der Vorführungspause zurück auf unsere Plätze zu gehen oder Julian Dawson live zu sehen, uns doch für Julian entschieden. Gut so, denn er war wieder ein Erlebnis. Ich mag ihn live mit nur einer Akustikgitarre (oder auch nur mit Mundharmonika) am liebsten. Und meine Freundin war auch fasziniert. Nach einem Talk zwischen Julian und Klaus Voormann über seine Zeit mit den Beatles und in der Plastic Ono Band holte ich mir ein Autogramm auf eines seiner Bilder, das ich als Repro kaufte. Anschließend sollten von Carla Kniestedt drei Keramik-Enten versteigert werden. Die kleinen Statuetten, die das Unterseeboot auf witzige und comicartige Weise symbolisierten (das original U-Boot durfte aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden!) waren mit allen Autogrammen der Talkgäste versehen und sollten Geld für die musikalische Kindererziehung in Schwedt einbringen. Ich sah ein merkwürdiges Flackern in den Augen meiner Freundin... Zu Beginn gab die gute Carla gleich mal den Diebstahl einer Keramikfigur bekannt. So waren es nur noch zwei. Allerdings sollte nur eine Statuette versteigert werden. Ich gönnte mir den Spaß und eröffnete die Versteigerung mit 20 EUR. Na ja, 50 EUR, hatte ich gedacht, ist doch auch noch in Ordnung. Doch ein Berliner und ein Schwedter boten immer 10 Euronen mehr. Es machte Spaß. Und so ein Unikat im Wohnzimmer stehen zu haben, waren mir 110 EUR wert. "120!" rief der Berliner. Ich resignierte. "130!" antwortete der Schwedter Interessent. "140!" - die Stimme kam ganz aus meiner Nähe. Es war eine Frauenstimme. Ich kannte sie. Ja, jetzt hatte ich es - ich bin mit dieser Frau hierher gefahren! Meine Freundin übernahm jetzt die Haushaltskasse. Und plünderte sie. "180!" meldete ein paar Momente später das liebliche Geschöpf an meiner Seite, als der Berliner ausstieg. "190!" rief der Schwedter. Ich filettierte ihn gerade geistig, weil ich meiner Süßen sagte, bei 150 ist eigentlich Schluss - sie überzog schon ein wenig mit einem hochroten Kopf und leichtem Zittern in der Stimme. Soll er doch das Keramikteil in seinen Keller stellen oder wo er es auch immer hinstellen wollte. Ich drehte ab. "200!!!" hörte ich die Frau meines Herzens rufen, die mittlerweile mit glühenden Augen, entledigt aller Sinne, nur auf die Beute fixiert war. "Äh, Schatz, ich glaube, wir sollten gehen." Sie fauchte. Ich bangte nun um meine Gesundheit, da ich sie von der Versteigerung wegzerren wollte. Carla ermunterte die beiden Streithähne weiter, sich finanziell zu ruinieren. "210!" rief der nette Herr aus Schwedt, dessen Leben nun eine bedrohliche Phase erreichte. Irrte ich mich, oder schlugen Feuerbälle aus den Mund meiner Freundin, als sie "220!" bellte? Ich musste die Notbremse ziehen. "Liebes, es ist September, den kommenden Winter überleben wir nicht unter der hannoverschen Maschseebrücke!" Blitzschnell hielt ich ihr die Ohren zu, als der Schwedter todesverächtlich ein "230!" in die Menge warf. Moderatorin Carla erkannte die bedrohliche Lage - auch an Hand des Kampfes, der sich mit meiner Süßen abzeichnete und erklärte den Einheimischen als Sieger. Glücklicherweise vor meinem vorschnellen Ableben einigten sich die Verantwortlichen darauf, uns die zweite Ente für unseren genannten Preis zu geben. Ich überlebte also. Natürlich hat es sich nur so ähnlich abgespielt. Aber die Realität interessiert doch keinen. Wir genossen noch ein paar weitere Bands wie die "Union 63", den "After Beatles" und zum Schluss noch den "Beat Beatles" (Foto). Letztere waren für uns die besten an dem Tag. Vier etwa 20jährige Liverpooler, die die Frische und den Esprit der jungen Beatles sehr schön rüberbrachten. So muss es damals gewesen sein, als John, Paul, George und Ringo erst Hamburg und später die Welt eroberten. Um ca. 1 Uhr waren wir dann im Bett. Ein schöner Tag mit sehr viel Beatles und allem, was das Herz eines Beatles-Fans höher schlagen ließ. Nur eines hat uns ein wenig gefehlt: Es gab kaum Merchandising-Stände. Ich wollte mir diesmal ein (äh, oder mehrere) Beatles-T-Shirts kaufen. Doch leider gab es nicht einen einzigen Stand dafür. Überhaupt waren es nur zwei Anbieter, die sich in der Vorhalle auf Devotionalien spezialisiert hatten. Nichts zu sehen von den üblichen Tischen voller LPs, CDs, DVDs und was man sonst so alles für Geld bekommen kann. Irgendwie haben wir das vermisst. Das straffe Programm hat uns dafür mehr als positiv überrascht. Jede Menge Musik und kompetente Talkgäste in vier unterschiedlichen Sälen (Hauptfoyer, "kleiner Saal", "Cavern Club" und Theaterklause), sehr gut organisiert (z.B. begann eine Band erst, wenn die vorhergehende aufhörte) und liebevoll und fast familiär präsentiert. Sehr schön! Heute Morgen kamen wir dann nur noch zu einem Kurzprogramm mit "Ian & the Zodiacs" sowie ein weiteres unerwartetes Highlight mit der "Magical Mystery Band" (Foto) aus Neubrandenburg. Sechs junge Herren, die mächtig Stimmung auf der Bühne machten. Leider konnten wir nur ihren ersten Set genießen, da wir noch ein vierstündiges Rendevouz mit den Bundesautobahnen hatten. Nun sind wir wieder zu Hause, glücklich und mit einer "Trophäe" für das Wohnzimmer - mein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Danke, Schatz! Gruß der Don |
Kommentare | |
7 Kommentare vorhanden |
#1 Dr. O'Bell
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Super Sache, Marino! Habe mich prächtig amüsiert und konnte es gar nicht erwarten, diesen äußerst gelungenen Bericht hier einzustellen! |
#2 by Micha
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Großartig, ich muß dem Doc zustimmen, ich habe mich auch köstlich amüsiert. Toller bildlicher Bericht! |
#3 by Raffi
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Nach einem so voll gepackten Wochenende noch die Zeit zu finden, uns hier allen einen solch tollen und zeitnahen Bericht zu schreiben... dafür gibt es noch ein EXTRA-LOB !!!! Danke, Marino... Gruß natürlich auch an Deine "Muse" :-) |
#4 by Alberto
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mal ne blöde Frage was hat der Julian Dawson Jahrgang 1954 mit den Beatles zu schaffen?? |
#5 by Nadja Sabrina
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Grandios, Marino! - Vielen Dank für diesen tollen, reichlich bebilderten Bericht! Hat Spaß gemacht, ihn zu lesen! Bis bald in Verden!! |
#6 by Sunny
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Hi Marino! Hab ich's doch gewusst, dass ich nach der ersten Musical-Hälfte gegangen seid. Ich war noch bis 22.30 Uhr auf dem Gelände, habe euch aber auch nicht mehr gesehen, außer kurz bei Klaus Voormann. Schöner Bericht im Übrigen. |
#7 by JP
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Moin Meister Pate Mir fiel gerade auf, das sich an dieser Stelle noch nicht für diesen sahgenhaften Bericht gedankt habe. Weltmeisterlich sage ich nur!! Bis die Tage Sebastian |