Pascal auf einem Spontan-Ausflug nach Las Vegas,
zum Besuch der Cirque du Soleil Show "LOVE: The Beatles" im Mirage
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Da ich momentan in den Nähe von L.A. studiere und Las Vegas "nur" 4 Autostunden entfernt ist, haben eine gute Kollegin und ich uns am regnerischen Morgen des 22. Januars 2010 ziemlich spontan entschlossen uns die Cirque-de-Soleil-Show "LOVE" im Mirage-Hotel in Vegas anzusehen. Da um diese Jahreszeit in Las Vegas kein allzu grosser Andrang herrscht, bekommen Gäste des Hotels Tickets für die Show fast zum halben Preis. Also kostete uns das Packet "Tickets + Übernachtung" fast gleich viel wie ansonsten die regulären Eintrittspreise. Noch schnell Proviant eingekauft, das Auto getankt und schon ging’s los. Um 15 Uhr sind wir in Las Vegas angekommen, haben anschliessend eingecheckt und uns dann ein bisschen den Las Vegas Boulevard angeschaut. Nach einem übersättigenden Abendessen im Hard Rock Cafe ging es zurück zum Mirage, wo um 19 Uhr die Show begann.

Der Eingang zum 'LOVE Theatre'

Vor der Vorstellung liefen im eigens für die Show erbauten "Love Theatre" instrumentale Mixe der Beatles-Songs. Ich kann mich an "Got To Get You Into My Life", "Girl", "And Your Bird Can Sing" und "With A Little Help From My Friends" erinnern. Pünktlich ging dann das Licht aus und ein fülliger Mann mit Smoking und Melone bat das Publikum in englischen Akzent, doch bitte die Mobiltelefone auszuschalten.
 
Da die Show eigentlich rund um den Zuschauer herum stattfindet, war es sehr schwer alles überhaupt wahrzunehmen. Trotzdem probiere ich hier einmal alles zu rekonstruieren:
 
Es wird dunkel und ein kurzer Dialog, zusammengeschnitten aus Outtakes und Interview der vier berühmten Liverpudlians ist zu hören. In etwa: "Oh, I think we’re on - Are you ready, boys? - I’m ready. - George, are you ready? - Yeah - Alright, let’s go then - one, two, three, four". "Because" erklingt und über die Bühne marschieren ein paar skurrile Gestalten (Sgt. Pepper?, Nowhere Man?) in fahlem Licht. Als "Get Back" einsetzt, geht alles sehr schnell. In Sekundenbruchteilen flutet farbiges Licht die ganze Halle, die meterhohen, halbtransparenten Leinwände verschwinden im Boden und von überall her fliegen Figuren in das Theater, die direkt aus dem "Yellow Submarine"-Film oder "Sgt. Pepper"-Cover entsprungen sein könnten. Und dann erst der Sound: Ringos Drum-Solo, Pauls Bass.... Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich bis jetzt noch nicht glauben, dass diese Aufnahmen schon über 40 Jahre alt sind. So kraftvoll hört man die Beatles selten im Leben... Das war für mich der erste Gänsehautmoment der Show.
 
Diese Figuren tanzen und fliegen also fröhlich durch das Theater (mittlerweile sind aus dem Boden die Reihenhausdächer von Liverpool oder London aufgetaucht), doch als "Glass Onion" einsetzt, kippt die Stimmung: Hoch oben fliegen zu Flugzeuglärm schwarze Gestalten über die Stadt und beginnen die Häuser zu zerstören. Als sich dann die bösen Geister und der Rauch verzogen haben, irren die Menschen inkl. Kinder einsam in den Trümmern umher - ahh, look at all the lonely people.
Es folgt eine absurde, psychedelische Parade zu "I Am The Walrus" mit Figuren, die stark an Alice in Wonderland angelehnt sind: so z.B. the Mad Hatter. Den Übergang kann ich mir nur so erklären, dass sich Kinder u.a. auch Lennon, nach dem Krieg in ihre eigene imaginäre Welt zurückziehen mussten, weil sie materiell nicht viel hatten. Dies ist ja grundsätzlich auch das Konzept von "Alice in Wonderland" und "I Am The Walrus".
Nach dem Krieg und dem Wiederaufbau kommt der Wirtschaftsaufschwung, symbolisiert durch neue Autos. Die Jugend schöpft wieder Hoffnung und auf der Bühne tanzen Teddy Boys und Mädchen mit Beehive-Frisuren zu den Klängen von "Drive My Car". Vor "I Want To Hold Your Hand" wird der Klang der schreienden Fans dann so laut, wie er damals bei einem Beatles-Konzert wohl gewesen sein muss, nur dass die Musik in Las Vegas immer noch hörbar war. Es herrscht Hysterie, kreischende Mädchen stürmen auf die Bühne, verfolgt von Bobbys. "Here they are - the Beatles". Man kann die Aufregung richtig spüren.
 
Dann verlässt die Handlung die Entwicklung der Beatles vorerst. Zu "Something" bewegen sich Akrobaten sehr ästhetisch am Vertikalseil und zu "Being For The Benefit Of Mr. Kite" wird von Trapezturnern zu Jongleuren alles aufgeboten, was ein Zirkus im herkömmlicheren Sinne zu bieten hat. Zu den Klängen von "Help!" rasen dann vier Rollschuhläufer in atemberaubender Geschwindigkeit über Rampen, die aus dem Bühnenboden aufgetaucht sind.
Nicht ganz ungefährlich: Ein Skater stürzt nach einem Sprung zu Boden und klettert unter tosendem Applaus des Publikums wieder auf die Rampe.
Irgendwann dazwischen sind die Beatles als Silhouetten auf der Leinwand zu sehen, wie sie einen Fussgängerstreifen zu überqueren versuchen. Die originalen Stimmen wurden wieder aus Interviews und Outtakes zusammengeschnitten und greifen den Humor aus den "A Hard Day’s Night"-Dialogen auf. Bei "Blackbird" sind auf den Leinwänden Szenen von Martin Luther King zu sehen. Später kommt wieder der Einsatz der Silhouetten-Beatles: Diesmal sind sie im Studio. "Hey Juuuude - stop, I can’t sing it - what? - what’s that funny chord? - John, are you sure you’re guitar is in tune? -Mal, I’ve broken another string." Sie stimmen Lady Madonna, Hey Jude und Let It Be an und spielen schlussendlich - "un, deux, trois, quatre - no-one I think is in my tree" - "Strawberry Fields Forever". Dazu turnen und tanzen die Artisten auf einer Bühne um die Instrumente der Beatles (Höfner Bass, Rickenbacker Gitarren, ...) und spielen mit Seifenblasen. Sehr imposant.
Ein weiterer Höhepunkt war für mich die Inszenierung von "Within You Without You". Zu Beginn hebt ein Bett aus der Mitte der Bühne ab und aus der Höhe breiten sich dessen seidigen Bettlaken über das ganze Publikum aus. Die weisse Decke in Greifweite über den Köpfen der Zuschauer wird von oben mit farbigen Lichtern beleuchtet und die Zuschauer greifen nach dem Laken. Zusammen mit der Musik hat das etwas sehr rituelles.
Später schweben die Beatles als Astronauten im Weltall und kommentieren die Mondlandung. Bei "Lucy In The Sky With Diamonds" leuchten dann tausende, winzig kleine Lichter im ansonsten stockdunklen Raum zum Rhythmus des Songs. Ähnlich wie später bei "Octupus's Garden", wo Unterwasserkreaturen wie Quallen oder Anglerfische durch die Lüfte schweben.
 
Bei Lady Madonna geht es dann wieder ganz irdisch zu und her. Eine schwangere Mutter von unzähligen "Kindern" steppt mit Gummistiefeln im Regen. Zu "Here Comes The Sun" taucht aus dem Boden eine riesige Sonne aus dutzenden wenn nicht hunderten von Kerzen auf und schwebt nach oben. Dazu turnen vier indisch gekleidete Akrobatinnen am Vertikalseil. Es folgen Breakdancer, die zu den Klängen von "Come Together" in einzelnen Lichtkegeln tanzen und mit dem Übergang in "Dear Prudence" bevölkern friedliche Hippies die Bühne. Dann geht es hart auf hart, "Revolution", die Polizei verfolgt die Demonstranten und zerstampft ihre Blumen. "Back In The USSR", das ganze Theater wird in rot getaucht, auf Trampolinen flüchten die Blumenkindern vor den verärgerten Polizisten. Nachdem sich die Aufregung etwas gelegt hat, betritt eine einsame Balletänzerin die Bühne und tanzt mit überdimensionalen Papierfiguren zu "While My Guitar Gently Weeps". Es folgt "A Day In The Life", wo der Text fast Zeile für Zeile in die Handlung eingebaut wird. Während des orchestralen Klimax wird schliesslich der Tod von John’s Mutter Julia äusserst spektakulär inszeniert.
Zum Schluss kommen für "Hey Jude" und "Sgt. Pepper (Reprise)" alle Beteiligten auf die Bühne. Das Publikum singt kräftig mit und merkt spätestens beim zweiten Song, dass sich die Show dem Ende zuneigt und dankt mit Standing Ovation. Ich halte vom inflationären Gebrauch der Standing Ovation nicht viel, aber hier ist es meiner Meinung nach angebracht. Ganz spontan und total unerwartet entscheiden sich die Artisten schlussendlich für ein "All You Need Is Love" nochmals auf die Bühne zu kommen, wo sie die Zuschauer zum Klatschen auffordern...
 
Als dann das Licht wieder angeht, erheben sich die Zuschauer wie aus einem Traum erwacht, langsam aus ihren Sesseln und während sich knapp 2000 Menschen durch einen einzigen Ausgang direkt in den Merchandising-Shop quetschen, hört man immer wieder Aussprüche wie "oh my god, that was soooo amazing..."
Den Shop hatten wir glücklicherweise schon vor der Show erkundet, waren aber schnell zur Erkenntnis gekommen, dass es neben den CDs und DVDs, die jeder Fan schon in seiner Sammlung hat, kaum brauchbare Beatles-Accessoires zu erwerben gab. Der Höfner-Bass, von allen Vieren signiert, stand, so versicherte uns der Verkäufer, leider nicht zum Verkauf.

Ich bestaune den signierten Höfner-Bass

Mein Fazit: Ich war total begeistert von der Show, denn sowas hätte ich absolut nicht erwartet. Nach den Bildern, die ich im Fernsehen und Internet gesehen hatte, erwartete ich von der Show nicht allzu viel. Übertrieben gesagt: ein bisschen übliches Rumgehopse zu Beatlesmusik. Aber nein, die einzelnen Acts setzen sich grösstenteils mit den Geschichten und Hintergründen der Songs auseinander und würden ohne Musik gar nicht funktionieren. Es gibt so viele Details, die man gar nicht richtig realisiert und/oder nur als Beatles-Fan versteht. Gleichzeitig dürfte es für alle anderen ein Grund sein, zuhause wieder einmal die Musiksammlung nach Beatlesalben zu durchforsten. Und allein schon wegen der Musik, lohnt sich das ganze Abenteuer... so spektakulär (und laut) hört man die Bealtes nicht sehr oft.
 
Nach der Show sahen wir uns im "B.B. King’s" nebenan die "B. B. King’s All Star Band" an, die vor einem bescheidenen Publikum eine umso beeindruckendere Performance abgab. Später spazierten wir noch durch das nahegelegene "The Venetian"-Hotel, wo im Obergeschoss venezianischen Kanäle nachgebaut wurden.
Am nächsten Morgen ging es dann nach einem ausgiebigen Frühstück schon bald wieder in Richtung Westküste. Nach dem bewölkten und regnerischen Tag zuvor überraschte uns das Wetter nun mit stahlblauem Himmel und eisigen Temperaturen. Nichtsdestotrotz legten wir auf halbem Weg von Las Vegas nach Los Angeles im Dorf "Zzyzx" eine kleinen Zwischenstop ein... kein Witz, dieses Dorf gibt es wirklich und es wirbt damit, im alphabetisch geordneten Register aller US-Ortsnamen als allerletztes genannt zu werden. Wenn das einmal keine Leistung ist.

Das 'LOVE-Denkmal' mit den Plaketten von John und George
 
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